Der Architekt Nikola Nikolov benötigte 14 Jahre vom Entwurf 1967 bis zur Fertigstellung der gesamten Hotelanlage. Es gab viel zu diskutieren, denn das Jahr 1981, in dem es spätestens und unbedingt fertig werden musste, war historisch. Gefeiert werden sollte der
1300. Geburtstag des 1. Bulgarischen Reichs.
Im Jahr 681 befreite Khan Asparuh das Volk aus der byzantinischen Bevormundung und gründete das Bulgarische Reich nach vielen Jahren kriegerischer Auseinandersetzung.
Wahrscheinlich, weil die Bulgaren eine harte Geschichte hinter sich haben (und immer noch mittendrin stecken), sind ihnen ihr Stolz und nationale Feiertage ziemlich wichtig. Und weil Weliko Tarnowo (zwar erst ab dem
2. Bulgarenreich 1186) Hauptstadt Bulgariens war, sollte eben ordentlich aufgefahren werden.
So wurde im Jahre 1981 das Interhotel eröffnet. Groß, luxuriös, mit Schwimmbad, Suiten, Restaurants und Nightclub. In sehr prominenter Lage inmitten des idyllischen Yantratals gelegen, war es im kommunistischen Bulgarien ein Knaller!
Eine (post)moderne Hotellandschaft. LUXUS fürs Establishment – nicht verborgen hinter Mauern, sondern inmitten der historischen Stadt für jedermann anzuschauen.
Ein Denkmal für eine prosperierende Gesellschaft. Ein selbstbewusstes Statement: wir sind wer und die ganze Welt ist herzlich eingeladen!
Nie monumental, aber überwältigend, ob des Ideenreichtums. Intellektueller Brutalismus. Konstruktivismus. Vor allem bei den skulpturalen Dachbauten. Die rhythmisch-
seriellen Balkonaufreihungen lassen an Minimal Art denken. Einfallsreiche architektonische Zitate wie eine Kupferkuppel, filigran auf zarte Pfeiler aufgebockt. Dann ein chinesisches Tempeldach, das als Einladung für einen langen Gang, der ins Yantratal hineinragt, fungiert. Der Gang führt in den Nightclub, könnte aber auch zu einem psychedelischen Selbsterfahrungstripp werden: Denn die organischen Wellen des geschwungenen Dachs wirken aggressiv dynamisch auf den, der den Gang durchschreitet. Rechts und links vom Gang geht es hinab in die Tiefe. So wird der Nightclubbesuch zum Abenteuer. Sehr ungewöhnlich.
Zusammengefügt zu einem in sich funktionierenden, stimmigen Lebensraum. Die vielen spielerischen Bauteile irritieren das Gefühl für die Größenordnung der Details und des Ganzen. Die Übergänge der vielen einzelnen Elemente bewusst einfach und transparent nach Baukastenprinzip zusammengesteckt.
Sensibel aufgebockt auf Betonstelen das Ganze. Unglaublich, dass sie den Gebäudekomplex tragen.
Darunter grünes Gesträuch, das die Yantra schützend umgibt. Abpuffert. Ein Fluss, der von menschlicher Zivilisation völlig in Ruhe gelassen wird. Obgleich sehr prominent, aufgrund seines verschlungenen Verlaufs, ist die Stadt respektvoll und stetig um die Yantra herumgewachsen. Und so fügt sich auch das Interhotel ein. Es scheint über der wild bewachsenen Flussniederung zu schweben um ihr geruhsames Treiben, ihren jahrtausendelang mäßigen Fluss nicht zu stören.
Man sieht den Nebel, der frühmorgens aufsteigt vom Dunst der Yantra und das Hotel auf Wolken bettet.
Nun steht es inmitten des Grün und ist verlassen. Beginnt einzuwachsen. So sehr pflegebedürftig, kostenintensiv! Umgeben von einer alten Stadt. Wie wird es weiterleben?